WAR 47 - "Doberan"
Nachdem ich auf diversen Schiffen der Hochseefischerei der DDR gefahren bin, reizte mich die Kutterfischerei auf der heimischen Ostsee. 1975 verwirlichte ich diesen Wunsch und ging zur FPG (Fischerei-Produktions-Genossenschaft) nach Warnemünde. Bis auf die Ende der 1970er Jahre in Dienst gestellten und in Polen gebauten Stahlkutter vom Typ B403, waren die 12- und 17m-Kutter alle aus Holz gebaut. Gebaut auf etlichen Werften auf dem ehemaligen Gebiet der DDR. Sie entstanden in etwa Mitte der 1940er bis ca. Mitte der 1950er Jahre. Nicht wenige davon gingen als Kriegs-Reparationsleistungen an die damalige Sowjetunion. Wer Interesse an den technischen Daten dieser Kutter hat, möge im "Netz" stöbern. Dort gibt es eine Fülle von Info's.
Die Fahrenszeit erwies sich auf diesen Schiffen als etwas gewöhnungsbedürftig. War man eine Schanzkleidhöhe von gut einem Meter (Trawler) gewöhnt, waren die ersten Schritte auf einem Kutter mit einer Schanzkleidhöhe von ca. 60cm schon recht komisch. Auch die Schiffsbewegungen auf See waren - wie sollte es auch anders sein - völlig anders. Eben der Größe des Schiffes geschuldet.
In Bezug auf die Fangtechnik, war vieles ähnlich der Großschiffe. Nur eben kleiner und feiner. Was den Komfort und die Technik betrifft, lagen hier die größten Unterschiede. Toilette an Bord? Gab es nicht überall. Waschräume oder gar Duschen? Fehlanzeige. (Wo sollten die auch sein?) Navigationshilfen und Radar? Wenn man von einem alten Funkpeiler oder die von Großschiffen ausrangierten alten Decca-Geräten mal absieht - keine. Bei einigermaßen guter Sicht fuhr man nach Landmarken. Bei Nebel fuhr man nach Gehör (Matrose vorm Mast auf Horchposten), Kompass und Wassertiefe. All' diese Unannehmlichkeiten hatten aber einen wunderbaren Nebeneffekt - wir waren frei wie die Vögel! Nach dem Auslaufen wusste niemand wo wir waren. Bis auf ein paar Fischerkollegen, die in der Nähe gefischt haben...
Die Fischerei selbst war auch hier sehr mühsam und körperbetont. Außer einer Kurrleinenwinde, mit der das Fanggeschirr vorgehievt wurde, war alles reine Handarbeit. OK, es gab noch einen Spillkopf, mit dem der Beutel an Deck gehievt wurde. Das war's dann aber schon. Netzwinden, auf die das gesamte Netz aufgetrommelt wurde und die das beschwerliche Netzeinholen per Hand wesentlich erleichterten, waren derzeit erst in der Erprobung.
Die Kutterfischerei war/ist in aller Regel eine Tagesfischerei. Das heißt morgens auslaufen, abends einlaufen. Es kam aber auch vor, dass man mehrere Tage unterwegs war. Jenachdem was wo gefangen werden sollte. Wie weit z.B. der Fangplatz vom Heimathafen entfernt war. Besonders schön waren im Herbst die Mehrtagesfahrten auf Heringsfang. Die Ostsee war noch recht warm und das Wetter meist ruhig. Wir pendelten zwischen Bornholm und der polnische Küste. Übernachteten mal in Rönne oder Nexö auf Bornholm, oder in Kolberg (Kolobrzek) in Polen. Gegessen und geschlafen haben wir in der 4-Mann-Kammer, die man vom Vorschiff ("Deckshutze") erreichte. Vor der Kammer war eine kleine Kombüse. Besser ein winziger Raum mit einem Kohle-Herd, auf dem gekocht und gebruzzelt wurde und der nebenbei auch die Kammer erwärmte. Den Fang (Hering) haben wir in Fässern gesalzen. Auf den Tisch kamen die tollsten Fischkreationen, die man sich denken kann. Vom Aal bis Zander war alles dabei. Nebst Rogen und Leber. Alles frisch aus dem Wasser. Gebraten, geräuchert oder mariniert. Einfach nur lecker - wenn man Fisch mag...
Lang lang ist es her. Die meisten Kutter sind längst verschrottet. Der Niedergang eines der ältesten Gewerbe der Menschheit, schreitet unaufhaltsam voran. Am schlimmsten betrifft dies die Küstenfischerei. Die Kleinen, wie immer.
WAR 47 - "Doberan", gibt es nicht mehr. Es war einer der letzten 17m-Fischkutter der FPG. Vor ca. 5 Jahren hat ein Investor aus Süddeutschland die damals schon sehr marode "Doberan" gekauft. Er hatte Großes damit vor. Wollte den Kutter für Angelfahrten nach Norwegen umrüsten. Seit Jahren nichts mehr davon gehört. Für mich waren es von Anbeginn nur Seifenblasen. Dem voranschreitenden Verlust des "Maritimen Erbes" wird tatenlos zugesehen...
Leider habe ich von diesem Schiff nur noch die nachfolgenden Bilder. Sie wurden vom "Tochterboot", dem sogenannten "Tuckpartner" gemacht. Pelagische Fischerei mit zwei Schiffen nennt man "Tucken". Wobei das "Netzboot" das Netz einholt und das zweite Schiff, der "Tuckpartner", das ausgesetzte Netz nur mitschleppt. Das ganze nennt man dann "Tuckpartie". Das Netz was gerade eingeholt wird ist ein damals weit verbreitetes Standard-Netz - ein sogenannter "240-Maschen-Ringsack". Die Maschenweite (von Knoten zu Knoten) betrug 100mm. Also 240 Maschen pro Blatt. Bei einer damals üblichen Einstellung von u1=0,5 hatte das Netz einen max. Öffnungs-Umfang von 240# x 2 x 100mm x 0,5 = 24.000.mm. Eben rundum 24m am größten "Netzring". Rein theoretisch. Denn beim Schleppen (Schleppgeschwindigkeit ca. 4 Knoten) kommt durch das durchströmende Wasser erheblich Druck auf das Netz, der die Öffnung kleiner werden lässt. Die kleinsten Maschen im sogenannten Steert, waren damals vorgeschriebene 22mm.